Mohri's Ansichten

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Die Kirsis des deutschen Protestantismus

Posted by mohri - 1. Oktober 2012

Von vielen wird behauptet, die lang angekündigte Säkularisierung wäre im 21. Jhd. ausgeblieben. In gewisser Weise stimmt dies. Denn nicht die Welt wurde so säkular wie befürchtet, vielmehr aber die Kirche des 21. Jhd. Es ist hier nicht nur die Rede von der Volkskirche sondern der Gesamtheit des deutschen Protestantismus.

Im vorangegangen Jahrhundert gab es einige wenige, die der Zukunft, bzw. schon der Gegenwart, der Kirche ein nicht unbedingt christliches Zeugnis ausstellten. Das diesbezüglich notwenige Erwachen blieb bisher im Großen und Ganzen aus. Predigten bleiben unzeitgemäß, Gottesdienste unatraktiv, gesegnete Seelsorge ein Kuriosum, echte Gemeinschaft ein Traum.

Beispielhaft kann man kontrastieren:
Fides quaerens intellectum contra intellectus sine fidem et fides sine intellectum.

Sowohl das “intellectus sine fidem”, als auch das “fides sine intellectum” sind im deutschen Protestantismus sehr weit verbreitet. Genau darin besteht die menschlich-phänomenologische Krisis.

Ein Verstand ohne Glauben ist ein totes Werkzeug. Man mag zwar überaus geschult sein, intellektuell, (pseudo-) tolerant, kritisch und aufgeklärt. Doch verkennt man hierbei das Wesen des Glaubens. Die daraus folgende liberale Starrheit mit der man Gott gegenübertritt ist doch nichts weiter als ein pseudo-autonomes, überhebliches und unchristliches Gehabe, das viel Wind erzeugen mag, doch ohne durchschlagende Wirkung. Denn nicht ohne Grund bleiben in vielen Volkskirchen die Bänke eher leer und wenn sie denn besetzt sind, findet man hier die „Gewohnheitschristen“ vor, die aufgrund ihrer Religiosität, nicht, bzw. selten, aber ihres Glaubens willen den ermüdenden Worten des Pfaffen lauschen. Rhetorisch geschult, wie es durch die theologische Ausbildung ermöglicht wird, werden ein paar nette Worte über Gott und den zu lebenden Glauben heruntergepredigt. Vorgelebt wird ein „vorbildliches“ christliches Leben à la  kategorischem Imperativ, sodass die breite, unkritisch-volksrkichliche, Masse nicht in der Lage dazu ist, das Leben ihres Pfaffen gemäß der Schrift zu beurteilen.
Woran sollten sie es auch prüfen? Wenn ihnen doch mehr Traditionen und gnädige Worte als das harte Wort und die harte Liebe Gottes in der Verkündigung gegeben wird. Es grenzt nahezu an Perfidität wie sehr hier und dort Gemeinden ihrer selbst überlassen werden und geistlich gesehen dahinvegetieren.
Wenn dann Seelsorge als scheinbar geistliche Erbauung gegeben wird, so wird die Vergebung der Sünden, genau wie in der Verkündigung, als Schleuderware an den Mann gebracht.

Auf der anderen Seite ist ein Glaube ohne Verstand genau so tödlich. Man will Gott mit eingängigen Liedern innerhalb von zwei Sätzen erklären. Man feiert nahezu in orthodoxer Gewohnheit in den Freikirchen seinen Gottesdienst. Laienprediger sind hier Gewohnheit, die zwar wahrhaft glauben, mitunter aber nicht eine Berufung zum Dienst auf der Kanzel haben, was sich dementsprechend bei der Verkündigung auswirkt.
In schlichter Art und Weise redet man über Gott, wo anstatt dessen ausführlich vom Numinosum  Zeugnis gegeben werden sollte. Andererseits versucht man in höheren Gedankengeflechten von Gottes Wesen zu reden, obwohl gerade dann Einfachheit und Demut erforderlich wären. Die Predigt hier ist mitunter erbaulich, doch auch hier fehlen die harten Worte, die Worte des Gerichts über die Menschheit, die Worte die jedem vor Augen malen: „Gott ist im Himmel und du auf Erden“, die Worte die eben jenen unendlich qualitativen Unterschied zwischen Gott und den Menschen ausmachen, die Worte die herausfordern wollen, die durch Gott reden wollen, den Menschen zu schockieren, herauszufordern, zu überwältigen und niederzustrecken durch die Gewalt des göttlichen Logos.

Eine durchaus, wenn auch eher (noch) weniger verbreitete, gefährliche Position stellt der Halb-Glaube und das Halb-Wissen dar: Denn hier beginnt man „neue Wege und neue Antworten“, wie es bspw. bei der „inno2012“ programmatisch war, zu suchen. Mit möglichst großer Weltnähe, der Ausblendung kritischer Themen und dem Erreichen einer bestimmten Altersgruppe ist auch das deutsch-emergente Forum Teil der Krisis, die sich zwar der Welt, nicht aber Gott stellt. Neue Lehren werden erdacht, alte gesegnete über Bord geworfen. Der ansatzweise Nihilismus, der hier zutage gelegt wird, ist an Dekadenz kaum zu übertreffen.
Wo es auch nur im Geringsten möglich ist, werden Synthesen vollzogen. Nicht, das man sich auch nur auf einen relevanten Punkt festlegen würde, denn man könnte ja heiß oder kalt werden. Doch dieses, überwiegend, lauwarme Christentum verspricht „Die Innovationen“ hervorzubringen, was „die Kirche“ nie geschafft hat. Diese im deutschen Raum überwiegende Laienbewegung vertritt durchaus auch einige positive Ansätze, jedoch eben keine, die das Christentum in seinen Grundfesten stabilisieren, oder gar antreiben würden.

So oder so ist zu beobachten, dass die Gottesfurcht verlorengegangen ist. Warum sollte man Gott auch fürchten, diesen lieben Gott, der durch und durch gepredigt wird, damit sich die Gemeinde ja keinen Anstoß an den Worten der Verkündigern nimmt? Doch bleibt Gott immer und immer ein,- und derselbe, er ist war und wird auf ewig jener gerechte Richter sein, den die Juden des Alten Testaments, mal mehr und mal weniger, so fürchteten.
Ebenso fehlt es meistens an wahrer christliche Gemeinschaft. Es ist oftmals nur ein „netten Beisammensein“, jedoch ist dies nicht der Sinn und Zweck christlicher Gemeinschaft. Es geht hier um weitaus mehr: Die Verbundenheit des einen Leibes Jesu Christi, die durch den Hl. Geist gegeben ist, egal ob der Einzelne dies akzeptiert oder eben nicht, muss in das paulinische Lei-Glied-Denken hineingehen, es muss mitt-erlitten, usw. werden, sodass der lebendige Gott hier wirklich wirken kann und will. Dies kann er jedoch nur in einer Kirche der Sünder, in einer Kirche, da seine Nachfolger ihn als den an der Welt und an ihnen leidenden Gott erkennen, oder zumindest erkennen wollen. Als den Gott, der ihnen abverlangt seinen Leidensweg nach,- und mit ihm zu gehen. Erst auf diesem Weg mit Christus und meinem Nächsten ist wahre christliche Gemeinschaft möglich.

Die Christenheit des 21. Jhd. ‘s benötigt keine „neuen Wege und neue Antworten“, sondern sie benötigt Den Weg und Die Wahrheit: Jesus Christus als ihr Zentrum. Deswegen ist und bleibt christlicher Glaube ein suchender Glaube, ein Glaube der aus der Schrift heraus lernen will, ein Glaube hin zu Gott und nicht zur Welt, oder zu christlich-avancierten Denkansätzen, ein Glaube der Jesus Christus als den Mittler zwischen Gott und Mensch sieht, als den, der für Gott am Kreuz starb und aus diesem Sterben, für und in Gott, heraus uns erlöste. Dieser Person sollen wir folgen und ihn eben nicht bewundern, oder „fromm“ von ihm daherreden. Wahrer Glaube hat die Beziehung zu Christus im Mittelpunkt und trachtet danach, den Willen Gottes im konkreten Leben zu vollziehen. Wahres Christentum heißt Gott zu erleiden, ihn als Krisis unseres Lebens kennenzulernen, quasi als ontologisch-individuelle Krisis. Denn wer nie Gott erlitten hat, der kennt keine Gottesfurcht, der weiß nicht was es heißt, dass Gott über seinem Leben herrscht. Es bedeutet der Welt ein Atheist zu sein, doch aber nicht weltfremd zu werden, kritisch allem gegenüber zu stehen und doch im kindlichen Glauben gemäß der Schrift zu leben. Es bedeutet ein Leben im hier und jetzt, nicht in der ewigen, unendlichen Analyse der Geschichte oder der Erfindung lauter Schimären für die christliche Zukunft. Es heißt vertrauen auf Gottes Zusage, dass er uns alle Dinge zum Besten werden lässt, was da auch kommen mag und wie sehr uns auch Ängste, Sorgen und Nöte in unserem kleinen, begrenzten, menschlichen Verstand quälen mögen.

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